Reset Von einem gebrauchten Tisch entfernt man mit dem Stechbeitel alle Unebenheiten wie Klebstoffreste, Farbkleckse oder Kaugummi. Schmutz wird mit einem feuchten Tuch abgewischt. Abgesplittertes Furnier wird geleimt oder mit dem Cutter sauber ausgeschnitten. Bewährt hat sich schon jetzt der erste Schliff. Er schafft eine gute Basis für alle weiteren Arbeiten. Alle Vertiefungen, auch Rillen und Kratzer, werden dann mit Holzkitt verspachtelt. Nach dem Trocknen überschleift man die Ausbesserungen bis davon nichts mehr zu fühlen ist. Bei manchen Tischen empfiehlt es sich, nun einen Sperrgrund aufzutragen, da sonst später gelbe Flecken durch die weiße Oberfläche dringen können. Dieser muss sehr gut durchtrocknen. Anschließend beginnt man mit den ersten zwei bis drei Schichten Farbe. Während des Streichens mit der Walze ist man sehr bemüht, keine neuen Unebenheiten entstehen zu lassen. Alle Farbbröckchen werden deshalb sofort mit dem Finger von der farbnassen Tischplatte getupft. Glücklicherweise ist die Farbe sehr klebrig und die Bröckchen haften meist von allein an der trockenen Fingerspitze, so dass man nicht viel herumwischen muss. Nun muss die Platte zwei Tage trocknen, bevor der zweite Schliff beginnt. Während dieses Schliffes ist meist schnell zu erkennen, wie es mit dem Tisch weitergeht. Dellen oder nach oben verzogene Ecken verlangen wesentlich mehr Farbschichten, als eine Oberfläche, die sich gleichmäßig abschleifen lässt. Je nach Erscheinung sind nun mindestens acht weitere Farbanstriche nötig. Nach der vierten Schicht folgt meist ein neuer Schliff. Erst am Ende zeigt sich wirklich, ob die Schichten dick genug waren. Nirgends soll der ursprüngliche Grund hindurch schimmern, nachdem der letzte Schliff mit feinstem Schleifpapier getan ist. Immer wieder prüft die Hand und streicht über die staubige Fläche. Im Keller färben sich die Spinnenweben weiß und hängen wie Netze von der Decke. Im Schein der Lampe tanzen die Teilchen. Zwischendurch wird immer wieder abgekehrt und es folgt ein langer, prüfender Blick von der Seite. Ist noch Eigenleben in der Fläche muss der Winkel der Schleifmaschine geändert werden. Zuletzt wird mit der Rückseite des Schleifpapiers poliert, dadurch entsteht ein feiner Glanz.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Café Rosenburg

o 90 cm

Leihgabe, 18 Monate

 

Der weiße Untergrund hielt eine Weile seiner Beanspruchung stand, aber irgendwann drangen Kaffee und färbende Säfte in die obere Schicht. Niemand mehr bestaunte die reine samtige Oberfläche, nach den ersten offensichtlichen Gebrauchsspuren. Viele Hände strichen darüber. Manche schauten versunken in die süffig eingedrungenen Glasränder. Jetzt steht anstelle des klecksweißen Tisches einer mit abgesägten Beinen.

 

 

 

 

 

 

Balkon der Familie S./J.

107 x 67 x 75,7 cm

Flohmarkt, 8 Monate

 

Obhut   Einen Frühling, einen Sommer, einen Herbst lang war der Tisch zu Gast auf unserem Balkon. Ein Balkon, der Esszimmer ist, sobald es das Wetter zulässt. Da sitzen wir zum Frühstück, zum Mittag, zum Abendbrot. Meist zu viert, wenn Freunde kommen auch zu acht. Passen alle an diesen Tisch. Manchmal wird auch dran gearbeitet. Aber das ist selten. Weiß und seidig war die Tischfläche. Man wollte sie streicheln. Aber ich zweifelte immer daran, ob diser Tisch für uns und diesen Ort gemacht ist. Schon der erste Regen hinterließ seine Spuren. Teekanne, Teller und rote Soße taten ihr Übriges. Versuche ihn zu schützen schlugen fehl. Nach und nach wurde das Muster dichter. Der kurze Sommer ging vor seiner Zeit mit einem langen Regen. Die Ränder des Tisches bogen sich nach oben. So wurde er den Spatzen eine Tränke.

Klassenraum der Schule Riesenklein

75 x 75 x 73 cm

Anzeige, 9 Monate

 

F. hat es gut gemeint und den Tisch mit Babyfeuchttüchern abgewischt, damit der Filzstift auch wirklich abgeht. An den Stellen an denen sie besonders stark geschrubbt hat, ist die Oberfläche nun nicht mehr glatt. "Mist! Der schöne neue Tisch! Was wird Astrid dazu sagen?" Die Kinder wissen nicht über die Besonderheit des Tisches und erobern ihn schnell für ihre eigenen Projekte. Mal steht er an der Tür, mal hinten am Regal. Geschichten entstehen, kniffelige Rechenaufgaben werden gelöst, der Stift rutscht beim Malen über den Blattrand, Karten werden ausgelegt und das Holz für unsere Schnitzereien zugesägt. Langsam lasse auch ich mich auf das Experiment ein und kann mich entspannen! Ohne Sorge stelle ich jetzt meine Tasse auf ihm ab und "überprüfe" nur noch selten die neuesten Spuren. In den letzten Wochen hat sich B. den Tisch als festen Arbeitsplatz ausgewählt. An manchen Tagen ist die weiße Oberfläche kaum zu sehen, denn aus den Federmappen und Heften baut sie sich eine kleine Mauer und versteckt sich dahinter.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gartenhütte von M.D.

65 x 65 x 30,5 cm

Leihgabe, 10 Monate

Atelier von J.W.

119,5 x 59,5 x 69,5 cm

Trödler, 10 Monate

 

Tisch auf Zeit   Wir organisieren den Rücktransport des Tisches. Wenn ich will, kann ich ihn behalten, sagt Astrid. Weiß noch nicht, ob ich will. Als Arbeitstisch war er ein guter Ersatz. Irgendjemandem habe ich mal gestanden, dass Tische meine Lieblingsmöbel sind. Würde ich ihn behalten, würde ich ihn mit Farbe übergießen. Haufenweise Farne darauf. Das mache ich nicht, solange er geliehen ist. Auch wenn ich weiß, dass es wahrscheinlich in Ordnung wäre, vielleicht sogar gewünscht. Wenn ich es gemacht hätte, wäre das dann nicht das richtige Engagement gewesen? Ist Künstlerin nur eine Ausrede, um das eigene Dasein zu rechtfertigen? Andererseits ist Bankkauffrau nicht auch nur eine Ausrede? Den Tisch werde ich für den Versand in Frischhaltefolie einpacken. Darauf freue ich mich schon...à la Christo. Gähn.

 

 

 

 

 

Küche von K.M.

60 x 40 x 70,5 cm

Fundstück, 7 Monate

 

der reine tisch   als der sommer noch kein richtiger war, kam der tisch zu mir. im juni wurde er mein erster eßtisch für mich und meine gäste, die vom hochwasser zu mir geflüchtet waren: ein befreundeter kater und ein elch. später trug ich den tisch immer dem guten licht nach, das entweder die küche oder das wohnzimmer beschien und fotografierte bücher und andere dinge auf seiner reinen weißen oberfläche. mit der zeit wurde mir weiträumig klar, das ich einen "reinen tisch" bei mir aufgenommen hatte, der mich auch weitere klare flächen zu schaffen anregte. das weiß, das vom tisch aus strahlte, wollte sich immer mehr in der wohnung ausbreiten. wenn die tischplatte rein, also unbetsückt blieb, wirkte das weiß weiter. ich fühlte mich zwar eingeladen spuren zuzulassen, mehr aber wollte ich das reine beschützen und bewahren. oft hatte ich ein tuch zwiscehn mögliche spuren gelegt. ein tropfen saft ist trotzdem durchgekrochen.

Diese Arbeit wurde durch ein Stipendium der Kunststiftung Sachsen-Anhalt gefördert und entstand 2012 / 2013 in Halle, Leipzig, Berlin und Köln. Eine Ausstellung der Tische fand Ende 2013 im Kunstverein Brühl statt.